Multimodale Lademodul-Integration: Innovation für eine nachhaltige Mobilität
Die Unternehmen Kölner Verkehrs-Betriebe (KVB), RheinEnergie und Ford haben in Bocklemünd die innovative Ladeinfrastruktur des Projektes MuLI offiziell in Betrieb genommen. Mit dem Projekt MuLI – Multimodale Lademodul-Integration – wird u. a. die Bremsenergie der Stadtbahn genutzt, um Batteriebusse der KVB und zugleich Kfz mit Elektroantrieb zu laden.
Die Ladeinfrastruktur besteht aus einer Ladestation, einem Lademast für E-Busse und zwei Ladesäulen mit jeweils zwei Ladepunkten für Elektrofahrzeuge. Die Ladestation wiederum unterteilt sich in einen Batterieraum und einen Mittelspannungsschaltraum. Der Lademast befindet sich im Bereich der KVB-Haltestelle „Bocklemünd“, an der die Stadtbahn-Linien 3 und 4 sowie die Bus-Linien 126, 143 und 145 halten. Die Ladesäulen für Elektrofahrzeuge befinden sich im Erdgeschoss der direkt benachbarten P&R-Anlage.
In der Praxis setzt der Bremsvorgang der Stadtbahn Energie frei, die in Strom umgewandelt wird (Rekuperation). Dieser Strom wird in der Ladestation in sechs Batterie-Stacks gespeichert und für die Ladung von E-Bussen und Elektrofahrzeugen abgegeben. Durch die Zwischenspeicherung in Batterien werden u. a. Spannungsschwankungen vermieden. Diese würden entstehen, wenn Straßenfahrzeuge im Schnellladeverfahren geladen werden und zugleich eine Stadtbahn anfährt. Da die KVB für den Stadtbahnbetrieb Ökostrom der RheinEnergie einsetzt, ist auch der durch die Rekuperation wiedergewonnene Strom Ökostrom.
Die Projektpartner bringen ihre spezifischen Erfahrungen in das Projekt MuLI ein. So verfügt die KVB seit 2016 über Erfahrungen mit elektrisch angetriebenen Bussen auf der Linie 133 und wird ihren gesamten Busbetrieb bis 2030 auf alternative Antriebe umstellen. Zudem verfügt die KVB mit ihrem Stadtbahnnetz über eine umfangreiche Infrastruktur der Bahnstromversorgung. Für das Projekt MuLI wurden drei Batterie-Gelenkbusse beschafft, die vor allem auf der Bus-Linie 126 (Bocklemünd – Chorweiler) eingesetzt werden, aber auch auf den weiteren E-Bus-Linien fahren können.
Stefanie Haaks, Vorstandsvorsitzende der KVB: „Wir sind als KVB Vorreiter beim Thema Klima- und Umweltschutz in Köln. Unser Fachwissen bringen wir daher sehr gern in die Entwicklung innovativer Ladeinfrastrukturen ein, um durch Rückgewinnung und clevere Speichermöglichkeiten verwendeten Ökostrom für weitere Verkehrsmittel sozusagen nochmals einzusetzen. Solche charmanten Lösungen könnten mit den Erfahrungen aus dem Projekt MuLI auch weitere Anwendungsfälle finden.“
Bereits auf der Linie 133 ist die RheinEnergie Partner der KVB. Hier hat das Unternehmen die Ladeinfrastruktur aufgebaut und betreibt diese, genauso wie das derzeit an verschiedenen weiteren Endhaltestellen im Stadtgebiet erfolgt. Hierzu gehören im Projekt MuLI insbesondere der Batterieraum und der Mittelspannungsschaltraum, in denen die Energiespeicherung, Energieumwandlung und das gesamte technische Management stattfinden.
Dr. Dieter Steinkamp, Vorstandvorsitzender der RheinEnergie: „Die Elektromobilität spielt eine bedeutende Rolle beim Klimaschutz. Mit flexiblen Speicherlösungen wie MuLI können wir den Ausbau der benötigten Ladeinfrastruktur in Köln noch schneller vorantreiben, indem wir auf das bereits vorhandene Stromnetz der KVB zurückgreifen. Die Technik unterstützt uns auch dabei, Spannungsschwankungen in den Stromnetzen auszugleichen, wie sie z. B. durch die Erzeugung volatiler Erneuerbarer Energie entsteht.“
Im Unterschied zur bisherigen Ladeinfrastruktur für den Busbetrieb der KVB werden im Projekt MuLI Autobatterien im „Second Life“als Speicher eingesetzt. Die Ford-Werke haben hierfür einen Speicher aus jeweils sechs Einheiten mit 48 Batteriemodulen (à 20 Einzelzellen) zusammengeführt. Die Speicher besitzen jeweils ein Gewicht von 700 Kilogramm, sind 2,20 Meter hoch, 1,20 Meter breit, 0,60 Meter tief und haben eine installierte Gesamtspeicherkapazität von rund 300 Kilowatt-Stunden (kWh). Sie sind eingebettet in ein Energiemanagementsystem.
„Ressourcenschonung und Second Life sind heute in aller Munde. Mit diesem Modellprojekt konnten wir die Zweitverwertung von Hochvoltbatterien untersuchen, ein Thema, das mit zunehmender Elektromobilität immer wichtiger wird,“ betont Gunnar Herrmann, Vorsitzender der Geschäftsführung der Ford-Werke GmbH. „Mit unseren Batterien konnte ein lokaler Energiespeicher konzipiert werden, der die rekuperierte Energie der einfahrenden und dabei bremsenden Stadtbahnen speichert und gleichzeitig zum Laden von Fahrzeugen an den Ladesäulen verwendet wird. Dies ist ein gangbarer Weg zur Zweitverwertung von Batterien von Elektrofahrzeugen.“
KVB, RheinEnergie und Ford haben bereits seit 2012 im Projekt colognE-mobil und seit 2018 in einem Projekt zum Geofencing von E-Transportern zusammengearbeitet. Unterstützt werden die Projektpartner im Projekt MuLI durch das Ingenieurbüro Fehringer (Dortmund), das seit über 25 Jahren auf den Themenfeldern der Elektrotechnik aktiv ist. Die Experten nutzen ein Batterielabor und arbeiten mit Batterien in allen notwendigen Teilthemen.
Ziel ist die Demonstration eines innovativen Ladesystems
Ziel des Projektes MuLI ist die Demonstration eines Ladesystems mit integrierten Lademodulen für verschiedene Fahrzeugklassen. Dabei ist dessen System im Kern für die Nachladung von Batteriebussen ausgelegt. Gleichzeitig ist das multimodal ausgelegte Ladesystem an verschiedene Spannungsebenen des Wechsel- und Gleichstroms (10 kV AC, Bahn-DC) angeschlossen. Mit dem Projekt soll die technische Vereinbarkeit demonstriert werden.
Ergänzend wurde die skalierbare Speicherlösung realisiert. Grundlage für die Energiespeicher bilden Fahrzeughochvoltbatterien, deren Speicherkapazität für mobile Anwendungen nicht mehr ausreicht, die jedoch in stationären Anwendungen einer weiteren Nutzung im „Second Life“ zugeführt werden können. Diese Batterien werden zur Netzstabilisierung, Minimierung des Leistungsbezugs und optional als Regelleistungsreserve für lokale Stromnetze genutzt. Hierdurch können die Kosten sowohl für die mobilen Anwendungen (z. B. E-Pkw) als auch die stationären Speicher reduziert werden. Mit dem Projekt MuLI wird der geeignete Einsatz solcher Batterien im Systemverbund erprobt.
Das Projektbudget umfasst insgesamt rund sechs Millionen Euro. Hierin befindet sich eine Förderung des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur nach der Förderrichtlinie „Elektromobilität vor Ort“ in Höhe von 1,87 Millionen Euro.
Aus der Fördersumme erhalten die Kölner Verkehrs-Betriebe rund 700.000 Euro für die Projektleitung und den Erwerb von drei E-Bussen. Die RheinEnergie wird mit rund 980.000 Euro für den Aufbau und Anschluss der Ladeinfrastruktur gefördert. Und die Ford-Werke erhalten rund 195.000 Euro für den Aufbau der Energiespeicher.
In die fördertechnische Abwicklung sind die NOW GmbH – Nationale Organisation Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie und der PtJ Projektträger Jülich im Forschungszentrum Jülich eingebunden.
In Köln weist der gesamte Busverkehr – der des ÖPNV, der Fern- und Charterverkehre – einen Anteil von lediglich drei bis sechs Prozent am gesamten Verkehr auf dem Stadtgebiet auf (ohne bzw. mit Hinzurechnung des Autobahnverkehrs). Das Gesamtpotenzial in Köln ist groß: Aktuell sind insgesamt etwa 570.000 Kraftfahrzeuge zugelassen, hierunter allein 500.000 Pkw. Der Anteil e-mobiler Pkw ist mit unter 6.000 Hybriden und etwa 2.500 reinen E-Pkw noch gering, wird aber kontinuierlich wachsen. Ähnlich sieht es bei den CarSharing-Autos in Köln aus. Von den ca. 1.250 Fahrzeugen sind bisher nur rund fünf Prozent E-Fahrzeuge. Aber auch hier muss mit deutlichen Steigerungsraten gerechnet werden. In einer Untersuchung für die IHK Köln wurde ermittelt, dass in Köln ca. 150.000 KEP-Sendungen täglich durch rund 1.000 Lkw, meist Fahrzeuge bis 3,5 Tonnen, verteilt werden, die dabei ca. 80.000 Stopps einlegen. Der ÖPNV und der lokale Energieversorger können als Keimzelle zur Ausbreitung und Etablierung der E-Mobilität dienen, wenn sie technische Lösungen für den Aufbau der Ladeinfrastruktur bieten.
E-Mobilitäts-Hub wird Erkenntnisse der Innovation bringen
Innovativ ist das Projekt MuLI vor allem durch seinen multimodalen Charakter, der die Ladetechnik für verschiedene Fahrzeugklassen – mit Mittelspannung des Wechselstroms und Gleichstrom der Stadtbahn – an einer Station bündelt. Innovativ ist das Projekt zudem, weil Autobatterien im „Second Life“ als Zwischenspeicher eingesetzt werden.
Mit MuLI gewinnen die Projektpartner Erkenntnisse über den Aufbau und die Konfiguration einer solchen Ladeinfrastruktur. Später können die Erfahrungen in die weitere Entwicklung von Infrastrukturen eingebracht werden.
An der genannten Endhaltestelle entstand ein E-Mobilitäts-Hub, an dem neben den auf der Linie 126 eingesetzten E-Bussen auch andere Fahrzeugklassen, wie z. B. Transporter der KEP-Dienste sowie CarSharing-Autos geladen werden können. Deren Betreiber können somit auch Erfahrungen aufbauen und in ihre E-Mobilitätsstrategien einbeziehen.
In der Folge des Projektes MuLI lassen sich ggf. weitere E-Mobilitäts-Hubs aufbauen und zu einem Baustein der Ladeinfrastruktur-Landschaft in Köln werden. Eine Kombination mit Mobilstationen, in denen Sharing-Angebote gebündelt werden, ist denkbar. Somit ist mit MuLI gleichermaßen die Vision verbunden, E-Mobilität in die Fläche auszurollen und die notwendige Verkehrswende voranzubringen.
MuLI erfüllt Anforderungen der Nachhaltigkeit
Mit dem Projekt MuLI werden die Anforderungen der Nachhaltigkeit in verschiedenen Dimensionen erfüllt. Durch den Aufbau von Ladeinfrastruktur in der Fläche wird die Umstellung des Straßenverkehrs auf elektrische Antriebe möglich. Dies dient dem Klima- und Umweltschutz, solange wie im Projekt Ökostrom eingesetzt wird. Insbesondere die Umstellung der umfangreichen Pkw-Flotte ist notwendig, um den Ausstoß von Kohlendioxid (CO2) und Stickoxiden (NOx) zu senken. Auch die Umstellung des Busbetriebs der KVB auf alternative Antriebe dient den Zielen des Klima- und Umweltschutzes der Stadt Köln. Mit Ladeinfrastruktur nach dem Muster von MuLI wird der Aufbau eines Teils der benötigten Ladeinfrastruktur möglich sein.
Auch die Nutzung von Pkw-Batterien in der Zweitverwertung ist ökologisch sinnvoll. Somit werden die in den Batterien enthaltenen Rohstoffe nicht bereits nach dem mobilen Einsatz im Auto recycelt werden müssen. Durch das „Second Life“ wird den Investitionskosten der Batterien eine längere Nutzungsdauer gegenüber gestellt. Im Prinzip werden sich die Anschaffungskosten für Pkw-Halter reduzieren oder aber Möglichkeiten der Weiterveräußerung ergeben. Dies entspricht wirtschaftlicher Nachhaltigkeit. Darüber hinaus gewinnt man Zeit, um Recyclingprozesse zu verbessern und den ökologischen Fußabdruck so weiter zu minimieren.
Der Aufbau der Ladeinfrastruktur in der Fläche erfordert die Erweiterung des allgemeinen kommunalen Stromnetzes, das auf die bisherigen Haushaltsbedarfe ausgelegt ist. Dies wird eine erhebliche finanzielle und operative Kraftanstrengung bedeuten. Deshalb ist die Nutzung der vorhandenen energietechnischen Anlagen der Stadtbahn, an die nach der Blaupause von MuLI Ladeinfrastruktur in Mobilitäts-Hubs angeknüpft werden kann, wirtschaftlich nachhaltig. Es erhöht den Wert der Stadtbahninfrastruktur und vermeidet einen Teil der weiteren Aufbaukosten.
Öffentlich zugängliche Ladeinfrastruktur, wie die in der P&R-Anlage Bocklemünd, ermöglicht für Verkehrsteilnehmer die Nachladung von Pkw, auch wenn sie im Umfeld ihrer Wohnung keine Möglichkeit hierzu haben. Insbesondere im Geschosswohnungsbau, in dem Mieter nicht einfach sogenannte Wallboxen installieren können, wird hierdurch die Umstellung der Verkehrsmittel ohne erhebliche Mehrkosten möglich. Hierdurch ist ein Aspekt sozialer Nachhaltigkeit tangiert.